Kodak war jahrelang das Vorzeigebeispiel, wenn man die Spielregeln der Disruption erklären wollte. Der Konzern hatte die erste Digitalkamera in den 70ern entwickelt – sie aber nicht auf den Markt gebracht. Kodak wollte sein Geschäft als weltweiter Marktführer von Filmmaterial nicht selbst mit einer neuen Technologie kannibalisieren.
Ist ChatGPT für Google nun das, was der Siegeszug der Digitalkamera für Kodak war? Und können etwa Tech-Giganten aus dem Silicon Valley disruptiert werden – obwohl sie sich selbst als den großen Disruptor sehen? Schauen wir uns die Spielregeln der Disruption genauer an.
Google hat seinen übermächtigen Marktanteil in den beiden vergangenen Jahrzehnten zementiert. Allein in Deutschland nutzen heute 93 von 100 Online-Suchenden Google. Der Umsatz von Google, seit 2002 stetig gestiegen, betrug 2022 ca. 280 Mrd. USD. Das Geschäftsmodell hinter der kostenfreien Suche lautet Werbung. Und damit lief es richtig gut – vielleicht zu gut. Kein Grund, etwas zu ändern. Die Nutzer würden sicherlich für immer so suchen wollen, wie Larry und Sergey es mal definiert hatten: eine minimalistische Startseite, ein Suchfenster, eine Liste mit Ergebnissen, gesponserte Antworten oder besonders gute SEO-polierte Seiten oben. Jedes weitere Such-Produkt reihte sich in die gleiche Logik ein: Bilder, Videos, News etc.
Erste Spielregel: Kundenwert schaffen
ChatGPT vereinfacht das Frage-Antwort-Prinzip: es gibt nur eine Antwort. Der Nutzer muss nicht weiter suchen oder scrollen oder – und das ist noch viel mühsamer – verschiedene Quellen auswerten. Im Grunde entspricht dies dem 1-Click-Buy bei Amazon. Der Mensch möchte sich so wenig wie möglich anstrengen. ChatGPT zeigt uns, wie AI das nun bei der Suche möglich machen kann.
Zweite Regel: Durchbrechen der beherrschenden Branchenlogik
Neue Technologien eröffnen neue Möglichkeiten und somit letztendlich neue Geschäftsmodelle. ChatGPT wird in den USA als Abo-Model angeboten werden. You.com – eine weitere AI-basierte Suchmaschine, die in den nächsten Monaten auf den Markt kommen soll, zieht ebenfalls ein Abo-Modell in Betracht.
Wie wird sich unser Internet verändern? Und viel mehr noch: wie werden sich die ganzen Inhalte weiter verändern? Wird es Inhalte geben, den die neuen Suchmaschinen nicht mehr kostenfrei abgreifen können? Was passiert mit den Dienstleistern, die Webseiten, Texte, Bilder und noch so einiges mehr auf den Such-Algorithmus von Google hin optimieren? Was werden Sie wie zukünftig trimmen? Und im gleichen Zusammenhang, aber auf der anderen Seite: Wie können Anbieter von Services und Produkten sicherstellen, dass sie überhaupt noch gefunden werden?
Disruption geschieht: Tiefgreifender Wandel setzt ein
Bisher funktionierte das Plattform-Prinzip der digitalen Ökonomie nach dem Motto: frei, umsonst, zugänglich. Wird nun nicht nur der größte Spieler im Markt durch eine vermeintlich bessere Technologie disrupiert, sondern auch die bisherigen Spielregeln, wie online Geschäfte funktionieren?
Das Gesetz von Amara besagt: „Technologie ist etwas, das wir kurzfristig überschätzen und langfristig unterschätzen.“ Das scheint auf diese Diskussion hier zu passen: Die Frage, ob Google das neue Paradebeispiel für Disruption wird, wird wahrscheinlich in den nächsten ein bis zwei Jahren von Google selbst beantwortet werden. Die Frage, wie sich unser Internet durch KI verändern wird (und ich bin der festen Überzeugung, dass dies der Fall sein wird), wird wahrscheinlich über einen längeren Zeitraum hinweg beantwortet werden.
Bei Geschäftsmodellinnovation sprechen wir automatisch auch immer von Disruption. Entdecken Sie, wie wir Business Model Innovation verstehen und erfolgreich zur Anwendung bringen.